
am 28. April 2020
Derzeit ist noch nicht gewiss, wann hierzulande Fitnessstudios und Sportclubs wieder aufmachen dürfen. Doch die Zeit nach der Krise wird kommen. Wie geht es dann weiter? Worauf sollten Betreiber nach Corona achten? Wie können sie sich am besten noch während der Krise auf den Neuanfang vorbereiten?
Um die Antworten auf diese Fragen zu erhalten, lohnt der Blick nach China. Denn dort geht der Alltag langsam wieder los und Fitnessstudios öffnen ihre Türen.
Vorweg: Dass in China derzeit „Normalität“ einkehrt, heißt nicht, dass dort das Virus nicht mehr tobt. Weiterhin gilt es für Geschäfte und Sportstätten, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Außerdem werden immer wieder Stimmen laut, die die offiziellen Zahlen und Angaben zu den Infizierten mit Skepsis behandeln.
Allgemein sind in China knapp 91% aller Infizierten inzwischen wieder gesund und es gibt kaum noch Neuinfizierte. Während es in den USA am 30. März beispielsweise 20.353 neue Fälle gab, wurden in China nur noch 31 Neuinfektionen registriert.
Selbst in Wuhan, dem Ausgangspunkt der Pandemie, dürfen die Leute nach einem strickten Lockdown inzwischen ihre Häuser wieder verlassen, um beispielsweise einkaufen zu gehen. Zuvor durften sie das für fast zwei Monate nicht. Da wurden Lebensmittel dann teilweise durch das Nachbarschaftskomitee von Wohnanlagen oder durch offizielle Stellen gebracht.
Ausreisen aus Stadt und Provinz dürfen sie seit dem 08. April wieder. Dann soll die Quarantäne vollständig aufgehoben werden. Die meisten Banken wurden in der Zwischenzeit wieder geöffnet, wobei älteren Menschen aber weiterhin geraten wird, Innenstädte und Nahverkehr zu vermeiden.
Ein Großteil der Geschäfte bleibt in China immer noch geschlossen. Menschen aus anderen Provinzen oder dem Ausland müssen Masken tragen und einen Gesundheitscode auf dem Handy installieren.
Es ist ein Ampelsystem, das Risikopersonen identifiziert und ggf. in die Quarantäne versetzt. Nur wer auf seinem Smartphone einen grünen QR-Code vorweisen kann, darf sich frei bewegen. Zeigt der Code etwa gelb an, muss man sich bei den Behörden melden. Rot bedeutet, zu Hause bleiben zu müssen, da der Verdacht auf eine Infektion bzw. erhöhte Ansteckungsgefahr besteht.
Ein generelles innerchinesisches Problem ist zudem nur schwer in den Griff zu bekommen:
Während die Zentralregierung alles macht, damit die Leute wieder arbeiten gehen, werden Menschen und Betriebe vor Ort teilweise davon abgehalten, zum Alltag zurückzukehren. Denn überall dort, wo die Infektionsraten wieder hochgehen, sind die Karrieren der politischen Entscheidungsträger beendet. Deswegen sind die Behörden besonders streng bei der Wiedereröffnung – auch bei Fitnessstudios.
Colin Grant, der CEO der Pure International Group, teilte jüngst in einem Webinar seine Erfahrungen mit der Coronavirus-Pandemie und der damit einhergehenden Überwachung der über 30 Standorte seiner Studios in ganz Südasien.
Das Gespräch fand am 18. März statt. Hier erläuterte Grant, wie er und sein Team mit der COVID-19-Pandemie umgegangen sind. Auch sie waren von Schließungen betroffen, mussten vermehrt mit Mitarbeitern kommunizieren und arbeiteten hart, ihre Mitglieder zu halten. Im Folgenden möchten wir die Inhalte des Interviews kurz zusammenfassen.
Die hier bereitgestellten Informationen dienen als Orientierung. „Es gibt keine Glaskugel“, sagt Grant. Jedes Land, jede Stadt und jedes Studio wird andere Erfahrungen machen.
Das ganze Interview in englischer Sprache gibt es hier: https://www.ihrsa.org/improve-your-club/coronavirus-conversations-club-operations-part-1-webinar/#
„Es gibt keine Glaskugel!“
Colin Grant
Collin Grant ist Mitbegründer der Pure Group und startete im Jahr 2002 mit einem Yoga-Studio und zwei Trainern. Heute sind sie an über 30 Standorten aktiv und beschäftigen rund 2.000 Mitarbeiter in Hongkong, Peking, Shanghai, Singapur und New York.
Die Pure Group hat bereits im Januar die Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren bekommen.
Im Dezember 2019 bekam Collin und seine Pure Group das erste Mal vom Coronaviruas mit. Bereits damals fingen sie damit an, Masken und Thermometer in ihren Lagern aufzustocken, ohne zu wissen, was und wie viel davon in Zukunft benötigt werden würde. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Währenddessen breitete sich Corona immer schneller aus.
Im Januar 2020 wurde die Lage ernst und die Infiziertenzahlen schossen in die Höhe. In der dritten Januarwoche fing es an: Grant musste sieben Studios in Shanghai und zwei in Peking zumachen. Anders als hierzulande, durften in China die Gebäude nicht mehr betreten werden, auch nicht von Grant und seinem Team. Deswegen konnten sie keine Wartungsarbeiten oder Modernisierungsmaßnahmen durchführen. Die Studios waren geschlossen und es gab keine Ausnahmen.
Die Pure Group begann damit, ihre Hygienestandards deutlich zu erhöhen. Auch die Mitglieder der einzelnen Studios wurden in dieser Zeit bereits informiert. Ein aktives „Kümmern“ um Sicherheit und Hygiene waren laut Collin im Nachhinein sehr hilfreich. Der permanente Kontakt zum Team, den einzelnen Studios und den Mitgliedern sorgten für ein gutes Gefühl.
Sehr früh haben die Mitarbeiter bereits Masken getragen. Erst dachte Grant, Masken würden abschrecken. Doch das Gegenteil war der Fall. Wie er berichtet, fühlten sich die Mitglieder sicherer.
Auch der Geruch im Studio sei wichtig gewesen. So habe man mit Bleiche gearbeitet und der intensive Geruch hatte eine positive Wirkung auf die Besucher.
In allen Studios begannen sie mit Temperaturmessungen. Ab 37,5 Grad fand eine zweite Messung statt, um sicher zu gehen. In einigen Fällen mussten Menschen nach Hause oder zum Arzt geschickt werden.
In Hong Kong kam es unter den Mitgliedern zu zwei Corona-Fällen. Alle Pure-Studios mussten daraufhin für zwei Tage schließen, um ihre Einrichtung gründlich zu desinfizieren. Die betroffenen Studios wurden ganz geschlossen und die dort arbeitenden Trainer für zwei Wochen in Quarantäne geschickt. Es folgte ein Shit-Storm in sozialen Netzwerken und Zeiten wurden rauer für die Pure Group.
Die Kommunikation wurde immer mehr und über soziale Netzwerke verstärkt. Mit den Studios und seinem Kernteam fanden tägliche Telefonmeetings statt – jeden Tag um dieselbe Uhrzeit. Dort wurden unter anderem die aktuelle Lage, behördliche Anordnungen und die zukünftige Organisation der Studios besprochen.
Seine Mitarbeiter arbeiteten zum Teil von zu Hause und dort fanden auch interne Schulungen statt. Entlassen wurde in der gesamten Zeit keiner aus seinem Team. Einige arbeiteten kürzer, weil es nicht anders ging. Doch Kündigungen wollte Grant zu keinem Zeitpunkt aussprechen.
Dass Grant und sein Team so viel und intensiv untereinander kommuniziert haben, sorgte nicht zuletzt dafür, dass es in der gesamten Mannschaft zu einer starken Solidarisierung kam.
Als einige von Collin Grants Studios schließen mussten, fokussierte sich die Pure Group immer mehr auf Online-Angebote und Social-Media-Kommunikation. So wurde täglich ein „Workout of the Day“ angeboten. Jeden Tag wurden so die Mitglieder mit neuen Inhalten, Trainings und Yoga-Kursen versorgt.
Sie fingen außerdem an, ihre Mitglieder auch bezüglich eines stärkeren Immunsystem zu informieren. Ein besserer Life-Style, stressfrei leben, gesunde Küche oder „Immunity Booster“-Classes füllten damit die Online-Agenda der Pure Group.
Laut Grant wurden Push-Benachrichtigungen an die Mitglieder sehr wichtig, um sie stets auf dem aktuellen Stand zu halten. So wurden auch immer wieder neue Infos zur Wiedereröffnung kommuniziert. Allerdings musste der Termin auch immer wieder verschoben werden.
Auch in China hat die Regierung Hilfspakete angeboten, um den finanziellen Verlust zu verringern. So erzählt Grant beispielsweise von Steuererleichterungen für sein Unternehmen. Doch auch Mietminderung wurde beantragt, das allerdings nur mit Teilerfolgen.
Grants Studios mussten für über 50 Tage schließen. Das sogenannte Social Distancing und damit der vorsichtige Umgang und Abstand zu anderen Mitmenschen dauerte drei Monate an. Erst nach zwei Wochen ohne Neuinfektion durfte er seine Clubs langsam wiedereröffnen.
„Die Wiedereröffnung verlief in Babyschritten“
Colin Grant
Die Pure Group durfte auch nicht alle Studios auf einmal eröffnen, sondern erst langsam nacheinander. Die Zahl der Wiederkehrer stieg erst mit der Zeit. Laut Grant kam es erst zu einem signifikanten Anstieg der Besucher, nachdem die Schulen wieder öffnen durften.
Vor jeder Eröffnung eines Studios wurde die Einrichtung von Behörden inspiziert. Aus diesem Grund hat das Team der Pure Group alles getan, damit sich die Regierungsvertreter auch gut fühlten.
Die Behörden haben darüber hinaus den Neustart der Pure Group stark reglementiert. Die Angst vor einer Neuinfektion und der erneuten Ausbreitung des Virus war groß.
Bis heute werden in China die Geschäfte nur langsam wieder geöffnet. Gruppenkurse fanden am Anfang erst gar nicht statt und auch das Duschen wurde untersagt.
Nach der Entwarnung waren die Mitglieder der Pure Group für Hygiene und Sauberkeit deutlich stärker sensibilisiert. Hier galt es, den bisherigen Standard zu erhöhen. So mussten sich alle Besucher vor dem Training die Hände waschen und desinfizieren.
Für die Pure Group bedeutete das, dass Hygiene und alle dazugehörigen Vorsichtsmaßnahmen zum Verkaufsargument wurden. Je stärker sich das Studio um Sauberkeit und Hygiene kümmerte, desto stärker wurde es honoriert.
Die chinesischen Behörden verordneten eine Besuchsbeschränkung auf maximal 50 Sporttreibende zur selben Zeit. Der gesamte Zeitrahmen für die 50 Personen umfasste 90 Minuten und danach mussten alle das Studio verlassen. Bevor die nächsten 50 Gäste rein konnten, musste das Studio gereinigt und die Geräte desinfiziert werden.
Bei jeder Person wurde die Temperatur gemessen und auch auf den nötigen Abstand beim Training musste penibel geachtet werden. So wurden zum Beispiel einige Spinningräder abgedeckt, damit genügend Raum zwischen zwei Rädern bestand. Gruppenkurse wurden auf zehn Personen limitiert.
Auch nach der Wiedereröffnung hatte die Pure Group vereinzelnd mit negativem Feedback zu tun. Grant spricht hier von drei Personentypen: die Ängstlichen, die Ausgeglichenen, die Mutigen. Die Ausgeglichenen bilden die Mehrheit, doch die Ängstlichen und Mutigen bringen die Unruhe mit sich. Während die Ängstlichen vom Studio intensive Maßnahmen für den Schutz der Mitglieder fordern, kümmern sich die Mutigen nicht wirklich. Beide Gruppen sind laut und das zeigte sich immer wieder auch in sozialen Netzwerken.
Hier sollte sich keiner aus der Ruhe bringen lassen. Sachlich und fachlich bleiben, lautet hier die Devise.
Irgendwann musste die Neukundenakquise wieder starten – allerdings ganz behutsam. „Es kommt ganz stark auf das Timing und den richtigen Ton an“, sagt Grant. Studios sollten nicht zu früh mit der Neukundengewinnung anfangen und auch nicht zu aggressiv sein. So hat die Pure Group ganz behutsam die Akquise wieder gestartet. Die Menschen seien anfangs nach der Krise noch vorsichtig gewesen.
Über die Umsatzeinbußen hat Collin Grant keine genauen Angaben gemacht. Allerdings nennt er einige Informationen, die das Ausmaß der Krise deutlich machen:
Die Anzahl an beantragten Ruhezeiten hat sich verzehnfacht und die der Kündigungen verdoppelt. Sein Team arbeitete aus dem Home Office heraus und einige in einer Art Kurzarbeit. Kündigungen hat er keine Ausgesprochen, das war ihm besonders wichtig.
Interessant: Auch nach der Wiedereröffnung kam es zu einem plötzlichen Kündigungsschub. Hintergrund war der, dass immer mehr Menschen auch aus anderen Provinzen Chinas zurückkehrten und die Menschen Angst bekamen, dass die „Rückkehrer“ noch immer infiziert sein könnten. Gleiches gilt für Chinesen, die im Ausland verweilen mussten und nun wieder zurück nach Hause können.
Zusätzliche Kosten entstanden auch durch den erhöhten Bedarf an Hygieneartikeln. Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, flüssige Seife etc. werden seitdem in viel höheren Mengen bestellt. Genaue Zahlen dazu hat Grant nicht genannt. Darüber hinaus wird es in Zukunft schwieriger, an Hygieneartikel zu kommen, da die Nachfrage über alle Branchen hinweg sehr hoch ist. Das macht sich bereits heute stark im Preis bemerkbar.
„Es wird für alle eine sehr emotionale Zeit werden“, so Grant im Interview. Grant spricht von einer „Achterbahn der Gefühle“, die Studiobetreiber erleben werden. Genau hier befinden wir uns bereits. Dennoch, sein größter Tipp lautet:
„Versucht gemeinsam mit eurem Führungsteam die Emotionen rauszunehmen.“
Denn auch nach der Krise kommen neue Hindernisse und Herausforderungen auf Studiobetreiber zu – vom langsamen Wiederaufbau bis zur Neukundenakquise.
Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass es nach der Wiederöffnung zu einem Ansturm an Studiogästen kommt. Darüber hinaus könnten Menschen in den ersten Wochen noch etwas zögerlich wieder am öffentlichen Leben teilnehmen.
Wer seine Zahlen im Blick hat, kann schneller reagieren. Collin Grant hat die wichtigsten Kennzahlen für seine Wirtschaftlichkeit täglich ausgewertet.
Dazu zählen Neukundenverträge, Kündigungen, Anträge für Ruhezeiten und nach der Eröffnung auch wieder die Check-in-Entwicklung. Die Daten hat er mit dem Vorjahr, der Vorwoche, dem Vortag usw. verglichen, um zu erkennen, ob sich das Unternehmen wieder erholt.
Vor dem Hintergrund der Neukundengewinnung durch Kampagnen, die noch während der Schließung gestartet werden können (z.B. „25%-Rabatt auf die Zeit nach Corona“ u. ä.), ist ein tägliches Tracking der Zahlen ebenfalls unabdingbar.
Hygiene und die Sicherheit vor Neuansteckungen im Studio werden auch nach Corona einen hohen Stellenwert besitzen. Im Moment ist noch nicht abzusehen, ob es auch in Deutschland nach der offiziellen Entwarnung eine Maskenpflicht geben wird, doch Desinfektionsmittel, flüssige Seife und Reinigungsmittel sollten öfters zum Einsatz kommen.
Die Menschen sind diesbezüglich sensibilisiert und haben eine entsprechende Erwartungshaltung an ihr Studio. Studios sollten nach dem Motto handeln: „Wir kümmern uns um eure Sicherheit!“.
Nach der Wiedereröffnung sollten alle Studios verantwortungsvoll mit der Gesundheit ihrer Mitglieder umgehen und für die Einhaltung sämtlicher Hygienevorschriften sorgen.
Auf fitness.bedarf.de findet ihr die aktuellen Top-Seller gegen COVID-19 und könnt natürlich alle Artikel direkt in eurer Studio liefern lassen.
Um für ein sicheres Gefühl zu sorgen, sollten Studiobetreiber entsprechende Hygienehinweise und Infotafeln anbringen. Diese können Hinweise auf das richtige Händewaschen, das regelmäßige Desinfizieren von Geräten oder zum Schließen des Toilettendeckels beinhalten.
Laut einem Spiegel-Artikel vom 6. April besagt eine Skizze des Innenministeriums, dass der Lockdown inklusive Ausgangsbeschränkungen noch bis zum 19. April gelten soll. Danach sollen die Bestimmungen langsam wieder gelockert werden.
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